Donnerstag, 7. August 2008

"Unter Wölfen": Die SZ hat neue Schläfer entdeckt...

Der Artikel von Marc Felix Serrao (SZ vom 06.08.08) liest sich streckenweise wie ein Steckbrief des Staatsschutzes. Presentiert wird "ein neuer Typus" des orientalischen Schläfers inmitten einer real existierenden demokratisch-pluralistischen Gesellschaft:

"Die Haare sind sorgfältig gegelt, die Bartkanten millimetergenau abrasiert. Unter dem T-Shirt wölben sich dicke Brustmuskeln. Osun Baba, das sieht man, achtet sehr auf sein Äußeres. "Lieder fürs Land" nennt der 110-Kilo-Mann seine ultrapatriotische Musik."


Was äußerlich ganz im "Style" einer liberal-demokratischen Milieustudie über nicht-integrierte Deutsch-Türken eingepackt ist, enthält einen hintertückischen Unterton nach Art populistischer Bild-Zeitung-Journaille. Osun Baba (Künstlername, siehe Foto) ist eine potentielle Gefahr für Staat und Gesellschaft. Nicht etwa weil er einfach Rap-Musik macht, sondern weil er türkischer Nationalist ist und in seinen Rap-Texten nicht gerade "integrationsfördernde" Töne anschlägt. Dabei wird nicht viel über die Musik von Osun Baba berichtet. Zitiert wird lediglich eine kurze Textpassage. "Türkiye! Für mein Volk, voller Ehre, voller Stolz. Trag die Fahne durch die Welt, Halbmond im Blut vom Volk.", heißt es da und verdient seitens des SZ-Journalisten wohl nur deshalb Aufmerksamkeit weil es sehr gut als politisches Signal für die SZ-Leserschaft zu gebrauchen ist.

Über die Musik von Osun Baba oder seine politische Einstellung kommt nur indirekt etwas ans informationsgesellschaftliche Zwielicht, als Osnun Baba von der SZ einen "Bozkurt-Rap" vorgespielt bekommt in dem die PKK und überhaupt alle Kurden im Straßenjargon beschimpft werden. "Osun Baba grinst, als er das hört: "Kinder. Kannste doch nicht ernst nehmen!" Dass seine Musik die Kinder aufgeheizt haben könnte, glaubt er nicht." Und der SZ-Journalist glaubt wiederum dem deutsch-türkischen Proletarier nicht.

Aber nicht nur augenscheinlich nicht-integrierte Deutsch-Türken sind auffällig. Es gibt auch andere "Fälle", wie der SZ-Jounalist zu berichten weiss.

"Aber es gibt auch andere Fälle, wie den von Mehmet Cetin. Der 23-jährige Türke, geboren und wohnhaft in Berlin-Kreuzberg, wirkt wie die personifizierte Antithese zum Klischee des desintegrierten Ausländers. Ein höflicher junger Mann, der Medieninformatik studiert und perfekt Deutsch spricht. Wenn Cetin von seinem Verein erzählt, vom Nachhilfeunterricht, von Musik und Tanz und dem eigenen Fußballklub mit vier Herren- und 15 Jugendmannschaften, dann klingt es mehr nach Wellness als nach Wolfsrudel. Man muss genau hinhören, um zu merken, dass der junge Sprecher der Grauen Wölfe politisch sehr radikal denkt."

Auch ganz passabel in die Konsumgesellschaft integrierte-assimilierte Deutsch-Türken bekommen von den Rudelführern des liberal-demokratischen Establishments kein Unbedenklichkeitssiegel. Dazu denken Menschen wie Mehmet Cetin noch viel zu "politisch radikal". Natürlich wäre es zu billig, würde man das Ettiket "politisch radikal" einfach so in den Raum werfen. Es geht aber noch billiger. Weil sich türkische Rechtsnationalisten Schlägereien mit PKK-Aktivisten lieferten, ist deren politische Meinungsäußerung nicht mehr gesellschaftsfähig und automatisch landen dann sogar solch gutbürgerliche Deutsch-Türken wie Mehmet Cetin ebenfalls in der Gewalt-Schublade.

Dabei wird der "Föderation der türkisch-demokratischen Idealistenvereine in Europa" (ADÜTDF), also dem Dachverband der Grauen Wölfe in Deutschland, sogar vom Berliner Verfassungschutz depolitisierender Einfluß auf ihre Mitglieder bescheinigt. Natürlich kann die ADÜTDF nicht jeden Grauen Wolf im Zaum halten. Schon deshalb nicht weil es die alte Kaderstruktur längst nicht mehr gibt. Der türkische Nationalismus im Zeichen des Grauen Wolfes ist zur Pop-Kultur mutiert und wird besonders von deutsch-türkischen Jugendlichen, die sich im Angesicht der modernitären Kopf-und Geistlosigkeit nach idealistischen Identifikationsmodellen sehnen, konsumiert.

Zwar hat Mehmet Cetin nicht unrecht wenn er davon spricht dass "Deutschland nicht seine Heimat" sei, denn "dieser Staat verlangt von uns Assimilation, tut aber nichts für unsere Integration." Aber dies sind Binsenwahrheiten. Wie soviele Ethnonationalisten leidet auch Mehmet Cetin unter dem Heimat-Staat Dualismus. Romantische Sentimentalitäten verhindern bei Ethnonationalisten den kritischen Blick auf die Beherrschung von Heimat und Staat durch die kapitalistisch-plutokratische Marktwirtschaft. Bei Liberaldemokraten sieht es im übrigen auch nicht besser aus, wobei sich die "Aufgeklärten" im Grunde psychologisch mit der Gewaltenteilung zwischen Staat und Ökonomie längst abgefunden haben.

Auch in Bezug auf den "tiefen Staaten" (bzw. "Tiefenstaat") trifft Mehmet Cetin deshalb nur die halbe Wahrheit. "Zur politischen Krise in der Türkei will sich der junge Kreuzberger erst nicht äußern, tut es dann aber doch kurz. Den "tiefen Staat", das Netzwerk der Ultranationalisten, bezeichnet Cetin als "wichtiges Organ". Er überlegt kurz, dann sagt er: "Den gibt es in jedem stabilen Staat, auch in Deutschland."

Natürlich gibt es auch in Deutschland einen Staat im Staate. Mehmet Cetin irrt sich aber, wenn er den "tiefen Staat" als Stabilitätsfaktor charakterisiert. Ein gesundes Staatswesen kennzeichnet sich durch Ganzheitlichkeit und nicht durch schizophrene Zerrissenheit. Es kann nur einen Staat geben. Ein Staat im Staate wird nicht zuletzt auch die Rechtsstaatlichkeit deformieren bzw. untergraben. Der "tiefe Staat" ist deshalb nicht ein Stabilitätsfaktor, sondern ein Auflösungssymptom.

Es täte gut wenn die deutschen Medien als Plattform für gleichberechtigten Dialog fungieren würden, anstatt unangenehme Fragestellungen primär mit sicherheitspolitischen Erwägungen anzugehen und Menschen pauschal zu kriminalisieren. Die latente Instrumentalisierung von in Deutschland lebenden Kurden und Türken mit Hinblick auf eine interventionistische und protektionistische Außenpolitik gegenüber der Türkei, ist ein zweischneidiges Schwert. Stimmungsmacher in diesem Sinne, sollten also nicht annehmen das sich ihre Provokationen immer gradlinig entwickeln.

Das beweist auch Osun Baba:

ZU DEN MEDIEN SAG ICH DAS ICH EIN MENSCH BIN DER SEINE HEIMAT LIEBT (TÜRKIYE) EIN BOZKURT SEIT JEH HER. JEDER KURDE ARABER MAROK AFRIKANER UND ALLE DIE ICH NICH AUFZÄHLEN KANN SIND MEINE BRÜDER... ALSO FICK AUF DIE HASS AKTIONEN VON DEN DEUTSCHEN MEDIEN... cCc BOZKURT IS MEINE KULTUR cCc UND ICH WILL EINFACH MUSIK MACHEN UND HIER FREI LEBEN SO WIE ICH ES JETZT NICHT KANN... KRITIK IS GUT ABER VORURTEILE SIND GEFÄHRLICH...

Siehe: http://www.myspace.com/osunbozkurt

Bericht: Algabal

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