Mittwoch, 13. Januar 2010

Im Tal der Wölfe: Israel knurrt die Türkei an


Israel hat durch die provokativ demütigende Behandlung des türkischen Botschafters in Israel eine scharfe Reaktion der Türkei ausgelöst. Der israelische Vize-Aussenminister Danny Ayalon hatte in Jerusalem den türkischen Botschafter Ahmet Oğuz Çelikkol vor laufenden Kameras regelrecht vorgeführt.

Die jungewelt berichtet (13.01.2010) wie folgt: Nicht nur, daß es unüblich ist, Einbestellungen von Botschaftern als Fernsehshow zu inszenieren, wurde Ankaras Mann in Jerusalem auch noch eine äußerst erniedrigende Behandlung zuteil. Zuerst ließ man ihn warten, dann hatte er auf einem niedrigen Sofa Platz zu nehmen – ihm gegenüber saßen auf höheren Stühlen Israels Vizeaußenminister Danny Ayalon und zwei Beamte des Außenministeriums. Auf dem Tisch stand nur die israelische Flagge. Und damit die Herabwürdigung des türkischen Diplomaten auch deutlich wird, erläuterte Ayalon den Sinn der Sitzordnung: »Hauptsache, man sieht, daß er tief sitzt und wir hoch und daß nur eine Flagge da ist. Und ihr seht, daß wir nicht lächeln.«

Nachdem die Türkei bei ausbleiben einer offiziellen Entschuldigung seitens Israels die Abberufung ihres Botschafters angekündigt hatte sprach Ayalon zwar nicht mehr so vollmundig wie bei seiner inszenierten Pressekonferenz, doch eine direkte Entschuldigung blieb bisher aus. Bisher ist auch nicht geklärt ob der "diplomatische Ausfall" Ayalons mit dem israelischen Aussenminister Avigdor Lieberman abgestimmt war.

"Tal der Wölfe" als Abbild der Realität

Groteskerweise bestätigte gerade Ayalon mit seiner Art "Flagge zu zeigen" genaustens die Szenarien der türkischen Kultserie "Kurtlar Vadisi" (Tal der Wölfe). Dort treten isarelische Diplomaten, Geheimdienstler und Geschäftsleute regelmäßig als latent größenwahnsinnige und skrupellose Zeloten auf, denen für die Sicherheit Israels jedes Mittel recht ist. Die neuste Staffel der türkischen TV-Produktion beschäftigt sich weiterhin verstärkt mit dem Phänomen des "Staats im Staate", dem berüchtigten türkischen Tiefenstaat (türk.: derin devlet). Nachdem in den letzten Jahren mafiöse und terroristische Teilaspekte und damit verstärkt innertürkische Auswüchse des verzweigten Problemkomplexes aufgeworfen wurden, richtet sich der Fokus der Produzenten derzeit verstärkt auf die geheimdiplomatischen Interventionen ausländischer Mächte in der Türkei. Besonders im Zusammenhang mit der Ergenekon-Affäre wird dabei auf die Rolle der sogenannten Gladio-Strukturen für die jüngste Geschichte der Türkei verwiesen.

Besonders auffällig ist der "gute Riecher" der Produzenten wenn es um aktuelle Entwicklungen der Tagespolitik geht. Immer wieder wird das türkische Fernsehpublikum durch die frappierende Synchronität zwischen dem Serien-Szenario und tatsächlichen politischen Entwicklungen in der Türkei überrascht.
So etwa zuletzt beim Sommerfinale (2009) der Serie, als der Serienheld Polat Alemdar ein Komplott zur Ermordung des türkischen (TV-)Ministerpräsidenten aufdeckt und in letzter Minute verhindern kann. Im Filmgeschehen stand wieder einmal ein dunkles Geflecht aus inn-und ausländischen Gladio-Assassinen hinter dem Anschlagsversuch. Zu dieser Zeit stand der reale türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan aufgrund seiner Israelkritik in der "Schusslinie" Israels und seiner westlichen Verbündeten. Im Dezember 2009 erschütterte dann eine Nachricht über die Festnahme von Armeeangehörigen die allzeit labile türkische Politbühne. Die festgenommenen Armeeoffiziere hatten das Haus des türkischen Vize-Ministerpräsidenten Bülent Arınç observiert. Schnell war die Rede von Anschlagsplänen gegen führende Regierungsvertreter. Zum ersten mal in der Geschichte der modernen Türkei durchsuchten zivile Justizbehörden geheimste Einrichtungen des Militärs. Und schon 2006 hatten die Kurtlar Vadisi-Produzenten mit dem Kinofilm "Tal der Wölfe-Irak" für einen Aufschrei der Empörung bei Israelis und ihren Verbündeten im Westen gesorgt. Anstoß der Empörung waren Szenen die israelische Ärzte als Teil einer menschenverachtenden Organhandelmafia im Kriegsgebiet Irak zeigten. Schnell erhoben israelische und westliche Medien "Anklage" wegen Antisemitismus. In Deutschland sprachen sich Politiker für einen Verbot des Films aus. Im Jahr 2009 bestätigten jedoch Nachrichten über die Aufdeckung eines Organhandelmafia-Rings in den USA und die Aussagen eines israelischen Arztes das Szenario von "Tal der Wölfe-Irak".

Deutsch-Türkische Nachrichten