Bei zwei Bombenexplosionen im Istanbuler Stadtteil Güngören kamen 17 Personen ums Leben. Rund 160 Personen wurden verletzt.
Um ca. 21:45 Uhr Ortszeit (Sonntag) detonierte zunächst eine Paketbombe mit geringer Sprengkraft. Durch die erste Explosion wurden etwa ein dutzend Personen verletzt. Als Anwohner mit der Bergung der Verletzten beschäftigt waren, detonierte zehn Minuten nach der ersten Explosion ein zweiter Sprengsatz. Augenzeugenberichten zufolge war der zweite Sprengsatz in einem mit Betonmauern umfaßten Müllcontainer platziert worden. Pressemeldungen vom Montag sprachen von Fernzündungen per Handy und/oder Zeitzündungsmechanismus.
Spekulationen und Rätselraten: Bislang keine eindeutige Spur über Urheberschaft der Anschläge
Während offizielle Stellen zumindest indirekt die kurdische Separatistenorganisation PKK für die Bombenexplosionen verantwortlich machten, lehnte der PKK-Sprecher Zübeyir Aydar jegliche Verwicklung der PKK ab.
Zu ähnlichen Anschlägen mit kurdisch-separatistischen Hintergrund hatte sich bisher jedoch zumeist die TAK (Teyrêbazên Azadîya Kurdistan-Freiheitsfalken Kurdistans) bekannt. Von Seiten der PKK wird zwar jegliche organisatorische Verbindung zur TAK bestritten, doch bekennt sich die TAK selbst zum PKK-Führer Abdullah Öcalan. Türkischen Sicherheitskreisen zufolge soll die TAK explizit als Stadtguerilla von der PKK-Führung konzipiert worden sein. Die TAK konzentriert sich dabei auf Angriffe gegen wirtschaftliche Ziele in türkischen Großstädten und touristischen Regionen. Durch die jüngsten Angriffe der türkischen Armee gegen Stellungen der PKK im Nordirak, könnte sich die TAK zu Vergeltungsschlägen in den türkischen Metropolen entschlossen haben.
Die Politologin Prof. Dr. Deniz Ülke Arıboğan bestritt dagegen ebenfalls eine Urheberschaft der PKK. Wie die Vize-Rektorin der Bahçeşehir Universität (Istanbul) gegenüber dem türkischen Nachrichtensender NTV erklärte, stimme der Tathergang nicht mit dem strategischen Vorgehen der PKK überein. Ähnlich beurteilte Arıboğan eine mögliche Urheberschaft militanter Islamisten. Dagegen verwies Arıboğan auf eine mögliche Täterschaft national-kemalistischer Zellen um die türkische Gladio-Organisation Ergenekon.
Durch die Verhaftungen der Führungskader und den durch die Istanbuler Staatsanwaltschaft angestrengten Prozess, steht die putschistische Geheimorganisation unter Zugzwang. Zudem paßt der Tathergang zum Contra-Guerilla-Konzept der Geheimorganisation, die bestrebt ist, durch schwere öffentliche Provokationen einen Bürgerkrieg zu entfachen wodurch Regierung und Staatswesen zum Einsturz gebracht werden sollen um somit einem Putsch gleichgesinnter Armeekreise den Weg zu bereiten.
Die liberal-islamische Tageszeitung Zaman verwies in ihrer Onlineausgabe vom Montag ebenfalls auf die Geheimorganisation Ergenekon. Dem Zaman-Bericht zufolge habe der Anschlagsort "Symbolcharakter". Die Sprengsätze waren in der, nach dem ehemaligen Ministerpräsidenten Adnan Menderes (1899-1961) benannten, Menderes-Straße detoniert. Adnan Menderes war durch den Militärputsch vom 27. Mai 1960 abgesetzt und nach einem Schauprozess durch die damalige links-kemalistische Militärjunta hingerichtet worden. Auf die politische Tradition von Adnan Menderes beruft sich auch die derzeitige Regierungspartei AKP.
Bericht: Algabal
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