Die jüngste Verhaftungswelle gegen hohe türkische Militärs wurde wieder durch einen Bericht der ultra-liberalen Tageszeitung "Taraf" eingeleitet. Wie schon im Juni 2009, gelangte "Taraf" an geheime Dokumente aus Kreisen der obersten Militärführung. Damals, im Sommer 2009, titelte "Taraf" mit der Schlagzeile "Exekutionsplan für AKP und Fethullah Gülen" und führte die Staatsanwaltschaft auf die Spur putschwilliger Militärs die wahrscheinlich der ataturkistischen Geheimorganisation Ergenekon zuzurechnen sind. Im Herbst desselben Jahres führten die Untersuchungen der Justizbehörden nochmals zu Festnahmen und Verhören von hochrangigen Offizieren.
Das irgendwelche Nachrichtendienste das "radikalste" Sprachrohr der liberal-konservativen (von den westlichen Medien gerne als "islamisch" bezeichneten) Regierung Erdogan gezielt füttern, bezweifelt in der Türkei kaum jemand. Die peinliche Frage nach einem potenziellen Maulwurf innerhalb des türkischen Generalstabs wagt aber bisher niemand anzusprechen.
Das seit November 2007 erscheinende Istanbuler Blatt klagt zwar schon ebenso lange über seine finanziellen Nöte, doch wundersamerweise mußte Taraf bisher im harten Mediengeschäft doch nicht die Segel streichen. Wer die mediale Speerspitze markt-liberaler Reformation der Türkei finanziert, weiss nach zwei Jahren immer noch niemand genau. Başar Arslan, Eigentümer der Zeitung, gibt lediglich in weinerlicher Pose Interviews in denen er beteuert aus reinem Idealismus zu handeln und dass er sich verschulden müsse um das Erscheinen des Blattes zu sichern. Im gleichen Tenor beklagt sich auch Chefredakteur Ahmet Altan über die Ungerechtigkeit von Wirtschaft und Banken die, von den Militärs und der Regierung dazu animiert, vor Werbeaufträgen an "Taraf" zurückschrecken würden.
Hierbei sollte nicht übersehen werden dass sich Altan in einstudierter Manier zuunrecht als "Regierungskritiker" inszeniert. Gerade Altan und sein Blatt dürfen sich nähmlich mit am wenigsten über die "gemäßigt islamische" AKP beklagen. Erst die Regierung um Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan hat durch politisch-juristische Reformen das Erscheinen von Publikationen wie "Taraf" ermöglicht. Und dass AKP und "Taraf" im Kampf gegen die ataturkistischen Militärs Verbündete sind, kann nicht übersehen werden. Genauso können sich beide "Reformkräfte" auch der Förderung durch USA und EU sicher sein. Die Einsetzung solcher politischen und intellektuellen Kräfte in der Türkei ist nicht zuletzt ein taktischer Zug des Westens. Innerhalb der Strategie vom "Greater Middle East" sollen somit westlicher Einfluß und Machtkonstellation ausgebaut bzw. erhalten werden.
Obwohl innerhalb der türkischen Presselandschaft über die Finanziers von "Taraf" schon viel spekuliert und viele Namen - darunter auch der seit Jahren in den USA politisches Asyl genießende Fethullah Gülen, zu dessen "gemäßigter Islam"-Konzern bspw. die Tageszeitung "Zaman", das Nachrichtenmagazin "Aksiyon" oder die Bank Asya gehören - genannt wurden, konnte bisher niemand die interessierte Öffentlichkeit richtig informieren. Bei einer Pressemitteilung im Juni 2008 fragte sogar der damalige Generalstabschef Büyükanıt (auf die Vorwürfe seitens "Taraf" die Militärs würden an einem "Program zur (anti-demokratischen) Prägung der Türkei" arbeiten: "Ich sage sowas (einen solchen Plan) gibt es nicht. Schauen sie zunächst einmal wer diese Zeitung (gemeint ist "Taraf") finanziert, schauen sie nur einmal hin; einfach nur mal schauen wer der Finanzier dieser Zeitung ist..." Diese Worte des türkischen Generals illuminierten die Frage ebenfalls nicht. Schließlich wollte oder konnte der General auch keinen Namen nennen. Das die Militärs bisher nur am einstecken sind, kann aber als Zeichen aufgefaßt werden dass "Taraf" den psychologischen Krieg gegen die alt-ataturkistischen Militärs gewonnen hat. In diesem Sinne hat sich eine Investition (von wem auch immer) wirklich ausgezahlt.
Viel Beifall erhalten die "Taraf"-Journalisten natürlich im Westen. So bekam Ahmet Altan im vergangenen Herbst den mit 30.000 Euro dotierten "Leipziger Medienpreis". Und seine Redakteurin Yasemin Çongar darf sich besonders tiefer Verbindungen nach Washington und London rühmen. Altan rechnet mit einer halben Million Dollar um sein Blatt abzusichern und hofft auf Unterstützung aus dem Ausland, besonders aus Deutschland. Bei den vielfältigen und tiefen Verbindungenen beider Länder dürfte das nicht nur eine fromme Hoffnung sein.
Radikal für die "Neue Weltordnung"
"Taraf" spuckt nicht nur große Töne, sonder "hat auch was dahinter" - könnte man behaupten. Aber hier trügt der Schein. "Taraf" führte sich geschickt in ein politisch-gesellschaftliches Klima ein, das insbesondere durch die EU-Beitrittsverhandlungen der Türkei schon recht einladend war. Die Vermarktungsstrategie war freilich äußerst gewitzt.
Schon der Name und Untertitel des Blattes waren "provoktan". "Taraf", was Bedeutungen wie "Parteilichkeit, Seite, Standpunkt" u.ä. beinhalten kann, war aber auch der Name einer revolutionär-islamischen Zeitschrift die Mitte der 1990er Jahre erschien. Und in der Öffentlichkeit erinnerte man sich auch gleich an dieses unbeugsame Presseorgan des traditional und revolutionär ausgerichteten islamischen Lagers, dessen Aufrufe zum Umsturz des ataturkistischen Regimes nur durch Erscheinungsverbot und Haftstrafen unterdrückt werden konnten. Gegen den ausser Mode gekommenen Beton-Kemalismus sind auch die postmodernen Liberalisten von "Taraf" und setzen sich geschickt für einen Umsturz ein; aber im Fahrwasser eines ganz anderes gearteten Weltbildes.
Ali Osman Zor, ehemaliger Mitarbeiter des islamischen Taraf erläuterte das Kalkül der postmodern-liberalistischen "Taraf"-Gründer im November 2007 wie folgt: "Die von uns herausgegebene Zeitschrift Taraf hatte die Anhänger der sogenannten 2. Republik (2. Cumhuriyetçiler, gemeint sind intellektuelle Kreise, die sich während der Regierungszeit Turgut Özals etablierten und markt-liberale Reformen forderten) unter der Überschrift "Die sich im Schlamm des Westens winden" als eine hedonistische, weder an etwas positives noch negatives glaubende Gruppe klassifiziert. Scheinbar handeln diese Leute nun nach einer Logik wonach jede Werbung erfolgreich ist solange sie Aufmerksamkeit erheischt. Zudem verfolgt man auch die Absicht die noch immer anhaltende Wirkung unserer Publikation auszuhebeln. Denn in den 90er Jahren wurden Anstrengungen dieser Gruppe mit dem Ziel der Amerikanisierung-Verwestlichung der Türkei allein von uns pariert."
Den türkischen Unrechts- und Terrorstaat der 1990er gibt es (in der damaligen Ausprägung) heute nicht mehr und deshalb können Bestsellerautoren wie Ahmet Altan ihre "progressiven Ideen" heute vortragen ohne fürchten zu müssen weggesperrt zu werden oder gar zu "verschwinden" wie zehntausende türkische Staatsbürger in den letzten zwanzig Jahren. Damals, Ende der 1980er-Anfang der 1990er Jahre, gefiel sich Altan noch als apolitischer Literat. Heute schwingt er sich zum "Märtyer der Freiheit" auf.
Der Untertitel des islamischen Taraf lautete "Wer keinen Standpunkt hat wird aus dem Weg geräumt" (türk.: Taraf olmayan bertaraf olur). "Denken bedeutet einen Standpunkt haben" (türk.: Düşünmek taraf olmaktır) heißt es im Untertitel der "radikalen" Liberalisten von "Taraf". Die einen kämpfen immer noch gegen eine "Neue Weltordnung" die alte Hegemonialstrukturen im neuen Kleid verkauft. Die anderen inszenieren ihre "Rosenrevolution" um einen provinziellen "Tiefenstaat" durch einen globalen abzulösen.
Algabal
Das irgendwelche Nachrichtendienste das "radikalste" Sprachrohr der liberal-konservativen (von den westlichen Medien gerne als "islamisch" bezeichneten) Regierung Erdogan gezielt füttern, bezweifelt in der Türkei kaum jemand. Die peinliche Frage nach einem potenziellen Maulwurf innerhalb des türkischen Generalstabs wagt aber bisher niemand anzusprechen.
Das seit November 2007 erscheinende Istanbuler Blatt klagt zwar schon ebenso lange über seine finanziellen Nöte, doch wundersamerweise mußte Taraf bisher im harten Mediengeschäft doch nicht die Segel streichen. Wer die mediale Speerspitze markt-liberaler Reformation der Türkei finanziert, weiss nach zwei Jahren immer noch niemand genau. Başar Arslan, Eigentümer der Zeitung, gibt lediglich in weinerlicher Pose Interviews in denen er beteuert aus reinem Idealismus zu handeln und dass er sich verschulden müsse um das Erscheinen des Blattes zu sichern. Im gleichen Tenor beklagt sich auch Chefredakteur Ahmet Altan über die Ungerechtigkeit von Wirtschaft und Banken die, von den Militärs und der Regierung dazu animiert, vor Werbeaufträgen an "Taraf" zurückschrecken würden.
Hierbei sollte nicht übersehen werden dass sich Altan in einstudierter Manier zuunrecht als "Regierungskritiker" inszeniert. Gerade Altan und sein Blatt dürfen sich nähmlich mit am wenigsten über die "gemäßigt islamische" AKP beklagen. Erst die Regierung um Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan hat durch politisch-juristische Reformen das Erscheinen von Publikationen wie "Taraf" ermöglicht. Und dass AKP und "Taraf" im Kampf gegen die ataturkistischen Militärs Verbündete sind, kann nicht übersehen werden. Genauso können sich beide "Reformkräfte" auch der Förderung durch USA und EU sicher sein. Die Einsetzung solcher politischen und intellektuellen Kräfte in der Türkei ist nicht zuletzt ein taktischer Zug des Westens. Innerhalb der Strategie vom "Greater Middle East" sollen somit westlicher Einfluß und Machtkonstellation ausgebaut bzw. erhalten werden.
Obwohl innerhalb der türkischen Presselandschaft über die Finanziers von "Taraf" schon viel spekuliert und viele Namen - darunter auch der seit Jahren in den USA politisches Asyl genießende Fethullah Gülen, zu dessen "gemäßigter Islam"-Konzern bspw. die Tageszeitung "Zaman", das Nachrichtenmagazin "Aksiyon" oder die Bank Asya gehören - genannt wurden, konnte bisher niemand die interessierte Öffentlichkeit richtig informieren. Bei einer Pressemitteilung im Juni 2008 fragte sogar der damalige Generalstabschef Büyükanıt (auf die Vorwürfe seitens "Taraf" die Militärs würden an einem "Program zur (anti-demokratischen) Prägung der Türkei" arbeiten: "Ich sage sowas (einen solchen Plan) gibt es nicht. Schauen sie zunächst einmal wer diese Zeitung (gemeint ist "Taraf") finanziert, schauen sie nur einmal hin; einfach nur mal schauen wer der Finanzier dieser Zeitung ist..." Diese Worte des türkischen Generals illuminierten die Frage ebenfalls nicht. Schließlich wollte oder konnte der General auch keinen Namen nennen. Das die Militärs bisher nur am einstecken sind, kann aber als Zeichen aufgefaßt werden dass "Taraf" den psychologischen Krieg gegen die alt-ataturkistischen Militärs gewonnen hat. In diesem Sinne hat sich eine Investition (von wem auch immer) wirklich ausgezahlt.
Viel Beifall erhalten die "Taraf"-Journalisten natürlich im Westen. So bekam Ahmet Altan im vergangenen Herbst den mit 30.000 Euro dotierten "Leipziger Medienpreis". Und seine Redakteurin Yasemin Çongar darf sich besonders tiefer Verbindungen nach Washington und London rühmen. Altan rechnet mit einer halben Million Dollar um sein Blatt abzusichern und hofft auf Unterstützung aus dem Ausland, besonders aus Deutschland. Bei den vielfältigen und tiefen Verbindungenen beider Länder dürfte das nicht nur eine fromme Hoffnung sein.
Radikal für die "Neue Weltordnung"
"Taraf" spuckt nicht nur große Töne, sonder "hat auch was dahinter" - könnte man behaupten. Aber hier trügt der Schein. "Taraf" führte sich geschickt in ein politisch-gesellschaftliches Klima ein, das insbesondere durch die EU-Beitrittsverhandlungen der Türkei schon recht einladend war. Die Vermarktungsstrategie war freilich äußerst gewitzt.
Schon der Name und Untertitel des Blattes waren "provoktan". "Taraf", was Bedeutungen wie "Parteilichkeit, Seite, Standpunkt" u.ä. beinhalten kann, war aber auch der Name einer revolutionär-islamischen Zeitschrift die Mitte der 1990er Jahre erschien. Und in der Öffentlichkeit erinnerte man sich auch gleich an dieses unbeugsame Presseorgan des traditional und revolutionär ausgerichteten islamischen Lagers, dessen Aufrufe zum Umsturz des ataturkistischen Regimes nur durch Erscheinungsverbot und Haftstrafen unterdrückt werden konnten. Gegen den ausser Mode gekommenen Beton-Kemalismus sind auch die postmodernen Liberalisten von "Taraf" und setzen sich geschickt für einen Umsturz ein; aber im Fahrwasser eines ganz anderes gearteten Weltbildes.
Ali Osman Zor, ehemaliger Mitarbeiter des islamischen Taraf erläuterte das Kalkül der postmodern-liberalistischen "Taraf"-Gründer im November 2007 wie folgt: "Die von uns herausgegebene Zeitschrift Taraf hatte die Anhänger der sogenannten 2. Republik (2. Cumhuriyetçiler, gemeint sind intellektuelle Kreise, die sich während der Regierungszeit Turgut Özals etablierten und markt-liberale Reformen forderten) unter der Überschrift "Die sich im Schlamm des Westens winden" als eine hedonistische, weder an etwas positives noch negatives glaubende Gruppe klassifiziert. Scheinbar handeln diese Leute nun nach einer Logik wonach jede Werbung erfolgreich ist solange sie Aufmerksamkeit erheischt. Zudem verfolgt man auch die Absicht die noch immer anhaltende Wirkung unserer Publikation auszuhebeln. Denn in den 90er Jahren wurden Anstrengungen dieser Gruppe mit dem Ziel der Amerikanisierung-Verwestlichung der Türkei allein von uns pariert."
Den türkischen Unrechts- und Terrorstaat der 1990er gibt es (in der damaligen Ausprägung) heute nicht mehr und deshalb können Bestsellerautoren wie Ahmet Altan ihre "progressiven Ideen" heute vortragen ohne fürchten zu müssen weggesperrt zu werden oder gar zu "verschwinden" wie zehntausende türkische Staatsbürger in den letzten zwanzig Jahren. Damals, Ende der 1980er-Anfang der 1990er Jahre, gefiel sich Altan noch als apolitischer Literat. Heute schwingt er sich zum "Märtyer der Freiheit" auf.
Der Untertitel des islamischen Taraf lautete "Wer keinen Standpunkt hat wird aus dem Weg geräumt" (türk.: Taraf olmayan bertaraf olur). "Denken bedeutet einen Standpunkt haben" (türk.: Düşünmek taraf olmaktır) heißt es im Untertitel der "radikalen" Liberalisten von "Taraf". Die einen kämpfen immer noch gegen eine "Neue Weltordnung" die alte Hegemonialstrukturen im neuen Kleid verkauft. Die anderen inszenieren ihre "Rosenrevolution" um einen provinziellen "Tiefenstaat" durch einen globalen abzulösen.
Algabal